Wirtschaftliche und industrielle Entwicklung

Einige fanden sogar Arbeit in Frankfurt/ Main. Es ist bekannt, daß bereits im Jahre 1830 einzelne Männer und Burschen in einer Gerberei in Sachsenhausen gearbeitet haben. In den folgenden Jahren fanden immer mehr Nieder-Röder Bürger Arbeit in dem näher gelegenen Offenbach, und hier vornehmlich in der Lederfabrik »Mayer & Sohn«. Auch Frauen und Mädchen fanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts Arbeit in Offenbach, überwiegend in Hutfabriken, Papierfabriken und Perlstickereien. Von den etwa 1100 Einwohnern im Jahre 1875 hatten bereits 58 Männer, 57 Burschen, 75 Mädchen und 3 Frauen in Frankfurt und Offenbach Arbeit gefunden.

Wurden in den Fabriken neue Arbeitskräfte gebraucht, so war jeder bemüht, einem Verwandten oder Bekannten diesen Arbeitsplatz zu verschaffen.

 

Alter Bahnhof - seit dem Betrieb der S-Bahn stillgelegt
Alter Bahnhof - seit dem Betrieb der S-Bahn stillgelegt

Für die Nieder-Röder war das Arbeiten in Frankfurt und Offenbach jedoch keine leichte Angelegenheit. Verkehrsmittel im heutigen Sinne gab es noch nicht. So ging es in den frühen Morgenstunden des Montages zu Fuß über Heusenstamm nach Offenbach oder Frankfurt und am Samstag wieder zurück. Welch eine Wohltat muß es daher gewesen sein, als im Oktober 1896 die erste Eisenbahn nach Offenbach und Frankfurt fuhr. Immer mehr Nieder-Röder fanden nun in den Städten Arbeit. Im Jahre 1930 fuhren von den rund 1900 Einwohnern etwa 600 Arbeiter und Arbeiterinnen nach Frankfurt, Offenbach und Obertshausen zur Arbeit. Alleine die Lederfabrik »Mayer & Sohn« in Offenbach beschäftigte um diese Zeit 132 männliche und 18 weibliche Arbeitskräfte aus NiederRoden.

Auch in Nieder-Roden selbst zeigten sich schon im 19. Jahrhundert die ersten Ansätze eines Wandels vom reinen Bauerndorf zur Industriegemeinde. Um die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Ziegelbrennereien. 1876 wurde eine Haarschneiderei eröffnet. Hier schnitten Frauen von den Fellen die Haare ab. Die Haare wurden an Hutfabriken und die Häute an Gerbereien geliefert.

Die ältesten Unternehmen waren die Lederwarenfabrik Joh. Reichenbach & Söhne in der Schulstraße, die 1919 gegründet wurde und die Metallwarenfabrik Peter Josef Wilz, die 1928 gegründet wurde. Diese gelungenen Firmengründungen, die man als Pioniere der Nieder-Röder Industrialisierung bezeichnen kann, gaben weiteren Nieder-Röder Bürgern den Mut, ebenfalls Firmen zu gründen.

 

Hochhäuser in der Frankfurter Straße. Im Volksmund auch "Chinesische Mauer" genannt.
Hochhäuser in der Frankfurter Straße. Im Volksmund auch "Chinesische Mauer" genannt.

Die besseren Verkehrsmöglichkeiten und hier besonders die Nähe der Autobahn und die Bereitstellung von Industriegelände in den 1960er Jahren, brachten immer mehr Firmen nach Nieder-Roden. Der am 1. Juli 1970 mit einer weltbekannten Büromaschinen- und Computerfirma geschlossene Ansiedlungsvertrag, sowie die völlige Erschließung dieses Geländes und der eigene Bahngleis-Anschluß, veranlaßten weitere weltbekannte Firmen sich in Nieder-Roden mit großen Zweigniederlassungen anzusiedeln.

Obwohl noch nicht das gesamte Industriegelände bebaut ist, kann man sagen, der Wandel vom reinen Bauerndorf des 19. Jahrhunderts, zur modernen Industriegemeinde, ist vollzogen.

Neben der fortschreitenden Industrialisierung in Nieder-Roden, hatten bis in die 1970er Jahre  wenn auch nur wenige, Nieder-Röder Bürger ihre Existenz auf der Landwirtschaft aufgebaut.

 

Anfänger der Siedlung Rollwald-1954
Anfänger der Siedlung Rollwald-1954

Zu erwähnen seien Richard Murmann, ein Nachkomme aus der Familie der »Portehannese«, errichtete 1967 einen Aussiedlerhof, den »Katharinenhof « an der nördlichen Gemarkungsgrenze mit einer Größe von ca. 33 ha. Durch Zukauf und Pacht hat er diese Fläche auf nahezu 100 ha. bewirtschaftete Fläche ausgedehnt. Neben der Landwirtschaft betrieb er noch eine Schweinemast.

Aus seinem Hobby, der Reiterei, machte er im Laufe der Jahre einen weiteren Erwerbszweig. Neben der Pflege der Pferde hat sein Sohn, der die Reitlehrerprüfung abgelegt hat, auch die Ausbildung der Pferde übernommen. Im Jahre 1973 wurde eine Reithalle gebaut, so daß die Pferde nun das ganze Jahr über trainiert werden können.

Kurt Staudt, aus einer alten Nieder-Röder Musikerfamilie entstammend, begann 1954 mit der Zucht von Moorbeetpflanzen (Erika und Azaleen) auf einer Fläche von ca. 1,2 ha. Diese Gärtnerei mußte 1976 dem heutigen Ärztehaus weichen. Auch er siedelte an die nördliche Gemarkungsgrenze aus und bewirtschaftet heute eine Fläche von ca. 3 ha. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die beiden Bauernhöfe bei der Siedlung Rollwald, von denen jeder 120 Morgen Land bewirtschaftete.

 

Gedenkstein auf dem ehemaligen Lagerfriedhof Rollwald
Gedenkstein auf dem ehemaligen Lagerfriedhof Rollwald

Die Siedlung Rollwald war einst ein herrliches Waldgebiet von etwa 220 Morgen altem Kiefernbestand mit 40jährigem Buchenunterwuchs. Auf Anordnung des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft in Hessen wurde in den Jahren 1938/39 dieser Wald gegen den Widerstand des damaligen Bürgermeisters Gotta abgeholzt und ein Gefangenenlager mit 24 großen Holzbaracken und Einfamilienhäusern für das Wachpersonal und die beiden Bauernhöfe errichtet. Die Gefangenen sollten die Arbeiten bei der Feldbereinigung ausführen, die in fast 40 Gemeinden der Kreise Dieburg und Offenbach geplant war. Die beiden Bauernhöfe testeten neu entwickelten Kunstdünger. Weitere 4 Bauernhöfe waren auf der anderen Seite der Rodau geplant und der Wald bereits abgeholzt. Der Ausbruch des Krieges war das Ende aller Planungen. Die 4 Bauernhöfe wurden nicht mehr errichtet, die Feldbereinigung nicht durchgeführt. Lediglich die Begradigung der Rodau in der Nieder-Röder Gemarkung wurde ausgeführt.

Das bereits bestehende Lager diente bis zur Besetzung durch die Amerikaner am 26. März 1945 als Lager für Straf- und politische und Kriegsgefangene.